Als ich gestern im Wald unterwegs war, traf ich dort, wo außer mir sonst niemand ist, andere Menschen. Vor einigen Wochen verbrachten viele ihre Abende am Handy oder vor dem Fernseher und heute hüpfen wir wie die Osterhasen durch die Natur.
Was mir aber besonders aufgefallen ist, ist, dass man sich wieder nett grüßt, was bei mir zu einer Lust auf Umarmung führt, aber das geht ja gerade nicht. Also wollte ich wenigstens meinen Lieblingsbaum umarmen, aber da waren auch lieb grüßende Menschen und ich machte mir mal wieder Gedanken darüber, was sie wohl dann über mich denken könnten, wenn ich mit einen Baum kuschele. Eine doofe Angewohnheit von mir, das ist mir klar. Nicht das Umarmen, die Gedanken um die Gedanken anderer. Aber keine Sorge, wir alle haben einen großen Abstand von mindestens 2 Metern gehalten (bis auf einen braunen, großen Hund, der versucht hat, mich zu umarmen) und uns angesehen. Und wirklich gesehen, teilweise so klar wie in dem Film Avatar.

Die Menschen, die mir über den Weg liefen, schauten mich an und ich sie und ich sah eine gewisse Verbundenheit in ihren Augen. Was total schön ist, in diesen interessanten Zeiten, die sich anfühlen wie ein Film aus den Achtzigerjahren, in dem die Menschheit gegen ein Alien kämpft.
Soweit so gut. Trotzdem lag ich gestern um Mitternacht immer noch wach im Bett und überlegte, ob ich Halsschmerzen habe. Oder mich fiebrig fühle. Das tat ich nicht. Aber ich überlegte ziemlich lange. Heute beobachte ich meinen abblätternden Nagellack, mache mir nichts daraus, dass meine Nägel aussehen, als würde ich einer Punk-Band angehören, habe aber endlich wieder eine Jeans angezogen und festgestellt, dass es schon mal eine Zeit gab, in der ich lange zu Hause hockte. Ganze 3 Wochen waren es damals.
Dafür muss ich kurz ausholen. Vor 11 Jahren, als Lian geboren wurde, machte ich leider das, was man nicht machen sollte und lud täglich andere Menschen zu uns ein. Baby Lian fand das erst ganz cool, aber ganz schnell gingen ihm meine Freundinnen und Nachbarinnen auf die Nerven und er wollte auch keinen Ausflug mit der Straßenbahn in die Kölner Innenstadt machen und bei H&M gestillt werden.
Er schrie tagelang wie am Spieß und das manchmal 6 Stunden lang. Mein Mann kam manchmal in seiner Mittagspause heim, damit ich duschen und jammern konnte. Oder ich ließ den Staubsauger laufen, dann horchte Baby Lian entspannt hin, scheinbar hört sich mein Inneres wie ein Staubsauger an, so ruhig war er sonst nämlich nur in meinem Bauch. Aber Staubsauger aus, Lian wieder an.
Nachdem ich 3 Ärzte, eine Heilpraktikerin und einen Osteopathen aufsuchte, viel Geld für Globuli und ein nicht vorhandenes KiSS-Syndrom ausgab, bekam von einer Freundin, die wiederum mich aufsuchte, den Tipp, das Kind zu pucken und mit ihm zu Hause zu bleiben. Das tat ich dann für die nächsten 3 Wochen, Lian wurde eingewickelt wie ein Burrito und ich dachte viel nach und sortierte mich, denn 2007 gab es noch kein Internet, so wie wir es heute kennen und somit wenig Ablenkung.
Und was soll ich euch sagen, wir schliefen viel und bis auf das eine Mal, als ich stillende Mutter fast eine ganze Flasche Rotwein in der Badewanne trank und so weinte, dass meine Brüste überliefen (aber keine Sorge, ich pumpte die Milch danach lange ab und gab ihm aufgewärmte Milchvorräte aus dem Eisfach), sorgte ich dafür, dass er sich wieder bei mir und mit mir wohl fühlte und alles wurde gut.
Damals fand ich es mies, nicht rausgehen zu dürfen, heute sehe ich die Zeit als eine der innigsten und liebevollsten in meinem Leben. Was ich damit sagen will, ist: Wenn ihr könnt, dann bleibt zu Hause. Und seid eure eigene liebevolle Mutter. Nur den Wein würde ich weglassen, der ist gerade und sonst auch, schlecht für die Immunabwehr. Und auf die kommt es gerade total an.
Shine now and stay at home, safe and well,
Doro
Liebe Doro, ich gebe Dir total recht, dass man sich in diesen Zeiten darauf rückbesinnen sollte, was eigentlich wirklich wichtig ist.
Nur haben da leider nicht alle die gleiche Ausgangssituation. Mein Mann und ich arbeiten beide Vollzeit, zusammen also 14h / Tag. Unsere Kinder (2 und 5 Jahre) sind nun auch daheim. Damit wir es irgendwie stemmen fangen derzeit beide um 5 Uhd morgens im Homeoffice an und arbeiten bis die Kinder wach werden, die restlichen Stunden dann abwechselnd nacheinander, muss ja immer einer nach den Kids schauen. Und so wursteln wir uns bis Abends durch den Tag. Ich hab erst 1 Woche hinter mir und bin kräftemäßig schon absolut am Limit.
Da wir beide in die Kurzarbeit rutschen werden ist eine Freistellung leider derzeit keine Option, weil wir jeden Euro brauchen, den wir im Moment in Vollzeit noch mitnehmen können. Hilfe können wir uns derzeit ja auch keine holen, Stichwort Social Distancing.
Ich finde es sehr schwer, sich auf die positiven Seiten zu konzentrieren, wenn man mit Existenzängsten komplett alleine gelassen wird.
Trotzdem finde ich es gut, sich die Chancen bewusst zu machen, will aber auch darauf hinweisen, dass in der aktuellen Situation auch unfassbar viel Leid geschieht.
Bleibt gesund und lieb gegrüßt!
Autor
Danke für deine berührenden Worte, danke danke!
Ich denke, dass uns allen früher oder später alles um die Ohren fliegt, die Welt verändert sich gerade. Ich hoffe, zum Besseren.
Ich sende dir viel Kraft und etwas Licht, auch wenn das verdammt abgedroschen kling, meine ich es so… und bleibt alle gesund. Deine Doro