„Schatz, du siehst heute aber toll aus! Hast du ein neues Kleid?“
„Das alte Ding? Das habe ich schon ganz lange!“
„Echt? Aber da hängt noch das Preisschild!“
„Oh mein Gott! Wie peinlich, das hängt da sicherlich schon ganz lange. Jahre!“
Irgendwie habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir neue Klamotten kaufe. Und ja, manchmal belüge ich meinen Mann ganz genau so wie oben. Und ich weiß, dass er mich manchmal genauso anschwindelt. Mit den Schallplatten, die er sammelt.
“Die habe ich ganz günstig bei ebay in den USA geschossen!”
Pffffff…. günstig weißte…, wo ich doch genau weiß, wie teuer allein der Versand aus den Staaten ist.
Ich finde es aber gar nicht schlimm, wenn wir uns bei so Banalitäten anschwindeln. Er weiß wie alt ich bin (bei seinem Alter zu schwindeln ist aber auch sowas von 2012/ man sollte sich höchstens älter machen, damit alle sagen, wow, die hat sich aber gut gehalten) und wie viel ich wiege (weil ich immer meckere wenn ich zugenommen habe/ wer tut das nicht) und ich glaube es ist ihm auch egal, wenn ich mir ein neues Kleid kaufe.
Jedes neue Kleid ist ihm genauso egal wie mir seine Schallplatten. Ich gönne mir was, er gönnt sich was. Perfekte Ehe (ich habe jedem von uns ja auch 1. Kind gegönnt, hehe).
Also warum schwindeln wir uns an?
Ist es mir unangenehm, weil ich unnötig Geld für mich ausgegeben habe? Anstatt brav zu sein und zu sparen? Aber worauf?
Ja, es stimmt schon, ich könnte mal wieder sparen. Zum Beispiel auf diesen wunderschönen Trenchcoat, den ich am Dienstag in Hamburg anprobiert habe… ;)
Und plötzlich höre ich die Stimme meiner (übrigens lange verstorbenen) Oma (!!!!!!!) in meinem Kopf missbilligend sagen:
„Meine Güte, du schmeißt das Geld nur so zum Fenster raus!“
Das sagte meine Oma nämlich ständig zu meiner Mutter und ihren Schwestern. Diese waren alle immer gut angezogen und hatten die neuesten Trends am Körper, auch wenn sie in Polen lebten (wo die Geschäfte zwar immer geöffnet hatten, aber die Regale meistens leer waren/ Polnischer Witz: Kommt ein Mann in die Bäckerei: Guten Tag, was haben sie heute denn? Antwort: Geöffnet!/ Man kaufte alles über Beziehungen und „unter der Ladentheke“) und nicht gerade reich waren.
Wenn der halbe Lohn für Klamotten drauf ging, gab es einfach sehr oft Kartoffeln (weil günstig) in allen Variationen bei uns zu essen (meine Mutter wirbelte in ihrer neuen Bluse in der Küche herum und ich saß schmollend am Tisch vor meinen „Kopytka“ -sowas wie Schupfnudeln/ sie werden aus Kartoffelteig gemacht- und wollte lieber Püree. Mit Buttermilch bitte).
Meine Oma fand es völlig unnötig, Geld für Klamotten auszugeben und so hörte ich ihren Spruch als kleines Mädchen viel zu oft. Und jedes Mal, wenn ich auf ein Paar geile Schuhe abfahre, höre ich ihn irgendwo in den Tiefen meines Unterbewusstseins wieder:
„Du bist doch irre! Wozu all die Schuhe?“
Und so schwindele ich meine Oma in Gestalt meines Mannes anschließend an. Was völlig unnötig ist, denn er hat nie etwas dagegen, wenn ich mir ein neues Kleid kaufe, mich zurechtmache und wir vielleicht sogar ausgehen. Er freut sich, wenn ich mich hübsch fühle (und die unzufriedene Tussi, die nichts zum Anziehen findet, mal nicht auf der Fläche erscheint). Ich stehe nicht stundenlang vor dem Spiegel (ich habe NICHTS zum Anziehen!), bin gut drauf, er macht mir Komplimente, ich liebe ihn dafür und wir… haben eine geile Zeit.
Und trotzdem lebt meine Oma wahrscheinlich auf Ewig in mir weiter…
Blöderweise hat Oma aber leider auch schon auf meinen Mann abgefärbt. Wenn der Postbote schon wieder eine neue Schallplatte bringt, höre ich sie ganz deutlich in meinem Kopf sagen „Was? Schon wieder eine neue Schallplatte?“ Und oooops, manchmal spreche ich ihre Worte laut aus, wenn mein Mann nach Hause kommt. Und so schwindelt er, ganz so wie ich:
“Ach, die habe ich ganz billig in UK geschossen!”
Tja, er kennt die Oma in mir sehr gut.
Die Oma, die jetzt neuerdings denkt: “…Moment mal! Wird mein Mann jetzt nach dem Brexit etwa noch ZOLLGEBÜHREN zahlen müssen?!”
Dann sollte er auf jeden Fall demnächst die Herkunft der Schallplatte verheimlichen. In etwa so wie ich:
“Aaaaach, das habe ich von
Net-A-Porterim Sale bei Zara gekauft! Komm, es gibt Kartoffelpüree!”
Liebe Doro,Danke für diese liebevolle Geschichte! Da muss ich an die Bekannten in Russland denken, die meinten "Frauen in Russland sind auch bereit, 3 Tage zu fasten, wenn es sein muss, damit sie sich das ersehnte Kleid leisten können." Das war ein Gespräch vor 2, 3 Jahren, ich wunderte mich, woher die russischen Frauen das Geld für das chique Gewand nahmen, weil ich wusste, dass die Mode-Preise nicht niedrig waren und das nicht Ehefrauen von Oligarchen waren, die da in der Disko ihren Fummel ausführten, sondern einfache Büroangestellte, Singlefrauen.Keine Frage: Klare Prioritäten. Passt doch, erst recht, wenn ihr kein neues Haus für eure Hobbies braucht. Alles gut! :-)liebe Grüße,PaulaPS: für einen Trenchcoat sparen? Das ist sooo vernünftig. Geld rausschmeißen sieht anders aus. Was bist du für eine vernünftige Frau! Deine Oma wäre stolz auf dich. :-))
Da stellt sich mir die Frage… hat meine Mutter eigentlich jemals was gegessen? Oder habe nur ICH die Kartoffeln bekommen?Und ja: wenn ich was will, bekomme ich es. Ich habe mal, als ich so 25 war, zwei Wochen Heilfasten gemacht. Das Geld war aus, you know 😉 Aber es war toll! Ich wollte eh 3-4 kg abnehmen. Den ersten Apfel danach geniesst du sowas von. Der riecht so gut!Liebe Grüße
Und nichts bietet soviel wertvolles Eiweiß wie gekochter Hafer als Mittagsmenü. 😀 Wir verstehen uns, liebe (((Doro)))